Essays

I love my diverse universe

von Jane Ch. Höchstetter

Die Vielfalt menschlicher Sozialformen und künstlerischen Praktiken, jenseits von geschlechtsspezifischen tief verankertem Sexismus, wird  den Wandel von patriachalisch- toxischen Monopolen des „Altmeister“- Begriffs in Kunstgeschichte und Kunstinstitutionen einfordern, vollziehen und verifizieren;

Die leider nur partielle feministische Haltung der Altmeister*innen und das Fehlen um das Wissen aller Aspekte hinter den gängig vermittelten, festgeschriebenen Meinungsbildern- und Fachkompetenzen sind eine ständige Herausforderung für uns Alle!

Gesellschaftliches organisieren oder handeln ist nicht geschlechterneutral.

Gender Mainstreaming leistet immerhin seit 1995 vorausschauende gesellschaftliche Präventionsarbeit; Das seit Jahrhunderten geprägte Bild des „männlichen Kunstgenies“ dominiert bis heute, was sich in Zugang zu Bildung, Berufspositionen, Einkommen und Ansehen ausdrückt.

Frauen waren von akademischen und damit auch künstlerischen Ausbildungen ausgeschlossen, Männer haben sich nicht für Kunst von Frauen interessiert und damit Frauen und Künstler*innen das Grundrecht auf Existenz in unserem Kulturkreis entzogen. Es gab und gibt sie dennoch, Künstler*innen, mit eigenen Konzepten, Bildgedanken, über die Linie aus dem Kopf skizziert, unerschrocken innovativ erforschend, mit Bildung, selbst erschaffen, jenseits des männlichen Blicks, die Wandlung vom Objekt zum Subjekt wurde längst selbstermächtigt errungen. Oder, wie steht es mit der Sichtbarkeit?

Trickreiche patriarchale Strukturen verwehrten Sofonisba Anguissola, „die“ im Italien und Europa bekannteste Künstlerin der Renaissance, zuerst durch Verbote für Frauen wie das malen von anatomischen Bildern, (damit das perspektivische Wissen), oder Themen mit mythologischem Bezug, oder grossformatige Historienbilder auf Leinwand in Öl, schliesslich die Berufung  zur Hofmalerin.

Sie erweiterte den damaligen Kunstbegriff in Bereiche der persönlichen Erfahrung, malte z.B. auf kleinen Bildträgern Kinder und Jugendliche nicht als Erwachsene sondern mit psychologischer Menschenkenntnis, malte die ersten“Alltags- und Gruppenszenen“, 100 Jahre bevor dieses Genre in Mode kam.

Damals galt noch das Eingeschlechtsmodell, die Vorstellung das weibliche Geschlechtsorgan sei nach innen verlagert, die umgekehrte Vagina, z.b. wie die Tochter von Tiziano, ist ein kleiner Tiziano, also kein ganzer Mann;

Damals konnten Frauen nur innerhalb der Familie eine Ausbildung machen, die sie und ihre Schwestern von ihren Eltern bekam. Nicht in dieser Epoche  sondern viel später verschwand ihr grosser Name und Werk in der Kunstgeschichte und viele Werke wurden Männern zugeschrieben.

Zu Ihrer Zeit erscheint in Trier das Flugblatt „Hexensabbat“, ein grosses Männerthema im Katholizismus. Die vielen ikonischen Darstellungen der Figur einer Hexe haben sich seit Albrecht Dürer bis unserer Epoche der Postmoderne und Walt Disney kaum verändert.

Artemisia Gentileschi die als bekannteste Malerin des Barock gilt, wurde als Erstgeborene Tochter von ihrem Vater in Malerei unterrichtet und später von dessen Malerkollegen Agostini Tassi in der Kunst der Perspektive unterrichtet. Dieser vergewaltigte sie, es kam zu einem Prozess, bei dem Artemisia mit Daumenschrauben und gynäkologischer Untersuchung gequält wurde, schliesslich der Angeklagte verurteilt wurde. Er konnte die angenehmere Strafe des Umzugs in eine andere Stadt wählen, sie musste auf Grund des gesellschaftlichen  Drucks die Stadt verlassen und jemand anderen heiraten, da sie die „Unschuld“ verloren hatte und der Familienname beschmutzt war. Später wurde sie wieder geschieden, irgendwann löste sie sich vom Malstil ihres Vaters und malte schockierend realistisch.

Im Auftrag ihres Mäzens malte sie das berühmte Selbstportrait als Allegorie der Malerei.

Artemisia wurde später als erste Frau an der Accademia dell’Arte del Disegono aufgenommmen.

Vier Jahre vor der Geburt von Hanna Höch 1889 erscheint das Buch Hexen-Geheimwissen mit sehr umstrittener These von Jules Michel der die Hexe nach „positiver“ Art zu rehabilitieren sucht. Die angesagte Männerbewegung des anti-akademische Trends, der den Künstler als autonomes Genie bezeichnet, und die Akademie in Frage stellt, und ein immenser Bedeutungsverlust abzusehen war, führt erst nach dem 1.Weltkrieg  zu Reformen in der akademischen Ausbildung, also letztendlich zum Zutritt für Frauen und damit u.a. zu den Kunstwissenschaften. Nach vielen Ausschlussverfahren von Frauen zu Ausbildung, Artclubs, Akademien, Ölmalerei und dem Erlass doppelter Studiengebühr, oder der immer noch vorhandenen Denkweise, Frauen könnten nur reproduzieren, seien selbst keine Creatoren, höchstens halbe Männer, Kopienhersteller, Weisungsgebunden an Männer, Kinderfressende Hexen, werden die Frauen vom Objekt zum Subjekt und werden sichtbar für andere.

Der Spiel/Dokumentar/Film Häxn von Benjamin Christensen 1923 als Lehrfilm gedacht, spiegelt die Funktionen der unterdrückerischen Gewaltanwendungen unserer patriarchalisch- tyrannisch- territorial- kolonial- Herrschaft – Strukturen unserer KulturWelt wieder, alle Menschen können zur Hexe, zum schuldigen, rechtlosen Menschen verurteilt werden. 

Frauen wurde mangelnde Kreativität vorgeworfen, Mann bezeichnete sie gerne als „Kunstweiber“ die nichts anderes als Portraits und Stilleben hervorbrachten.

Hanna Höch, geboren 1889, in Zeiten des Deutschen Kolonialismus, machte später eine Ausbildung zum Kunstgewerbe, war Malerin, Dadaistin und  Miterfinderin der „Fotomontage“, einer neuen Kunsttrichtung und Technik. Ihr Werk „aus einem ethnologischem Museum, Negerplastik von 1925, lesen wir heute als Kategorien wie Geschlechter und „Rassen“- überwindend. Sie entwirft hybride Interpersönlichkeiten und seziert die „toxische Männlichkeit. In ihren Scrabbooks, Skizzenbüchern mit Bildern spielt sie mit kulturellen Klischees und dennoch können wir nicht sagen ob sie sich gegen Kolonialismen ausgesprochen hat. Sie verstarb 1978, als die zweite Frauenbewegung sichtbar wurde. 

Meredith Monk, geboren1942 in Peru, zu Zeiten des 2.Weltkriegs, studierte klassischen Gesang, graduierte 1964 in New York, in  Dalcroze Eurhythmics, a system that ties musical education to movement erhielt die Erlaubnis Wilhelm Reichs „The Funktion of the Orgasmus“ mit einer Videoprojektion auf ihrem Gesicht  performativ aufzuführen. Sie entdeckte die Stimme als Instrument, ohne die Notwendigkeit von Worten. Es könnte weiblich oder männlich oder…, tierische, gemüsig, universelle Landschaften, Charactere, Mischungen sind aber kompliziert- bewusst kontrolliert. Sie dreht Filme mit Schauspielern ohne Drehbuch, sie experimentiert mit falschen Bärten im Gesicht, sie fühlte sich den Outsidern, den Mavericks  Amerikas verbunden, startete Musikperformances mit New Wave, sie beschäftigt sich mit den politischen faschistuiden Elementen der 80er Jahre, schafft Werke an der Schnittstelle von Musik,Bewegung, Bild, Objekt, Licht und Ton um neue Wahrnehmungsweisen zu entdecken. Die Zukunft des Planeten, die afroamerikanische Geschichte, Recht auf Kontrolle über Ihren Körper, Privatsphäre, freie Meinungsäusserung, sie verschiebt die Grenzen der Vocalmusik und hat Generationen von Klangkünstler*innen beeinflusst. Sie war Teil der Fluxusbewegung und zeigte die versteckte Poesie alltäglicher Ereignisse und Gegenstände in ihrer Laut-vocal-poetry Tanztheaterperformances. Sie sagt, sie lernte unter niemandes Kontrolle  über das was sie tat oder nicht tat stehen zu wollen. Sie wollte ihr eigenes Leben machen. Klassische Interpretationen von Musik oder Werken fühlten sich für sie unwichtig an. Sie machte einfach weiter. Ihr war es eine innere Notwendigkeit künstlerisch zu arbeiten, und das würde sich auch nicht ändern, sie braucht das schaffen und verursachen;

 Geruch von Formaldehyd  und brennenden Autoreifen in Verbindung mit Performance und Musik 1966, sollten eine synthetische, einbeziehende, mit einbindende Poesie der Sinne  werden. Zu dieser Zeit hatte noch niemand so etwas getan.

Das war ihr Durchbruch. 1969 wurde sie als erste Künstlerin mit „Juice“ in die Rotunde des Solomon R. Guggenheim Museums eingeladen. Sie beschäftigte sich mit wiederkehrenden Gewaltzyklen unserer Gesellschaft. Als erste und einzige Musikkomposition einer experimentellen Künstler*inn, hört man eine Tonaufnahme im Film Startrack von 1995.

Ihr persönlicher filmischer skulpturaler Ansatz zur Komposition und die Kultivierung eines Anfängergeistes eröffnen auch für andere immer wieder neue Perspektiven. Sie gilt als Pionierin indisziplinaren Performance , einem Genre, das seit den sechziger Jahren in New York entstand. Meredith Monk ´s wurde letztes Jahr 80, berühmte Werke wie „Harry“ von1976 werden als Neuinstallation  bei Ausstellungen 2023 in München und Amsterdam aktualisiert.

Ich habe M.Monk 1981 in der Münchner Akademie in der Alten Aula bei einem Talk erlebt, sie erhielt im gleichen Jahr  für „Dolmen Music“ den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Sie erhielt 10 mal die Doktorwürde und die höchste Auszeichnung für künstlerische Leistungen in der USA, die „ Nation Medal Arts “ wurde ihr von Präsident Barack Obama 2014 verliehen. Das alles wusste ich nicht, ich empfand die Aufstellung der Tische in der Aula 1981´ patriachalischeals Mauer und die Sitzreihen als Erziehungskonsolen. Das war heute vor 42 Jahren. Als ich 1984 mit dem Studium begann, wurde ich mit den Worten, was ich mache sei „Hexenkunst“ und uninteressant, aber wie ich arbeite und ob ich denn echt sei, sei intressant und wurde aufgenommen.

Durch dieses Seminar bin ich an meine Kunstgeschichtswurzeln zurückgeführt worden, habe grossen Respekt allen  Künstler*innen gegenüber gewonnen, die innerhalb ihrer lokalen Rahmenbedingungen schöpferisch und wissenschaftlich tätig waren, ich selbst fühlte mich sehr unwohl in diesen endlosen Altmeister-Konzept- Lehren patriarchaler Strukturen, diesem Kunst oder Sex sells- Problemen, diesem wenn Du Dich fortpflanzt bist Du eh weg vom Kunstmarkt, dieses : werde Mann. Ich wurde von meinen gegnerischen Kommilitonen erst nach dem 10. Semester durch die Ernennung zur Meisterschülerin als Individuum anerkannt. Danke! 

Die Fassade des Toxischen bröckelt, dahinter sind Mauern wie Stahl, macht Feuer*

Ich glaube auch an die heilende Kraft der Kunst.

Vielleicht müssen wir uns noch lange durchtanzen durch die vielen kleinen Orte der Macht.